-- forwarded message -- From: Torsten Mueller Subject: Reiseunmut (lang) Newsgroups: de.alt.talk.unmut Date: 20.Juli 2004, 17:00 Message-ID: Eigentlich will man sich auf Reisen nicht ärgern. Man ist tolerant, anderen Völkern gegenüber, lacht nicht und kritisiert nicht, man ist Gast und benimmt sich, denn man ist ja auch Repräsentant und Botschafter seines eigenen Volkes ... Aber *Türen* können die Briten jedenfalls nicht bauen. Es geht schon damit los, daß es keine Klinke gibt, sondern einen Drehknopf. Das mag für Katzen einen gewissen Sinn haben - sie lernen mit der Zeit, auf eine Klinke zu springen - für Menschen ist es hinderlich. Einige Hotels haben gemerkt, daß es im Ausland Klinken gibt, und verwenden ihrerseits nun auch Klinken. Diese muß man dann allerdings um 90° nach unten drücken, wie einen Drehknopf eben. Daß das *Türschloß* auf Brust- oder gar Kopfhöhe angebracht ist, stört nicht unbedingt - sofern es richtigherum eingebaut ist. Sofern! Man steckt in Britannien schon gerne mal den Schlüssel mit den Zacken nach oben ins Loch und dreht in dann auch zur falschen Seite (logisch, oder?). Da man diesen Handgriff oft zeitgleich mit dem Drehen des Türknopfes ausführen muß, kommt es gelegentlich dazu, daß man den Türknopf nach links, den Schlüssel aber nach rechts drehen muß. Wohl dem, der während der notwendigen Experimentierphase nicht gerade einen 18kg schweren Rucksack auf dem Rücken hat. Vielleicht tritt man auch einfach die Tür ein ... Zu bemerken ist ferner, daß Türschlösser manchmal keinen Anschlag haben. Man kann den Schlüssel dann beliebig oft nach links und rechts drehen, nie wissend, ob die verdammte Tür nun auf oder zu ist. Zu *Fenstern* ist im Allgemeinen nur soviel zu sagen, daß sie sich nicht bewegen lassen. D.h. entweder gehen sie nicht auf oder nicht zu. Ich liebe einfache Prinzipien. *Wasserhähne* gibt's immer zwei. Die Erfindung der Mischbatterie hat den Kanal noch nicht zu überspringen vermocht. Nochdazu sind die beiden Hähne so weit auseinander, daß man nicht eine Hand unter beide Hähne halten kann. Da ist ein Schild "Be careful - really hot water!" zugegeben schon recht sinnvoll. Aber selbst wenn beide Wasserhähne direkt nebeneinander angeordnet wären, könnte man die Hand nicht darunterhalten, denn die Dinger sind einfach zu kurz. Man darf schon froh sein, wenn der Wasserstrahl nicht gleich am Becken herabläuft. *Duschkabinen* sind neuerdings oft mit einer einheitlichen Armatur versehen, die elektrisch eine gewisse Einstellung der Temperatur (Wasser heiß bzw. Wasser kalt) und der Durchflußmenge (Wasser an bzw. Wasser aus) erlaubt. Der Hauptschalter dafür befindet sich immer außerhalb des Badezimmers, das muß man einfach wissen. Auch, daß die gelegentlich leuchtende Kontrollampe "Overheat" nicht zur Explosion führt. *Fußböden*, nun ja - was will man vom einem Volk erwarten, das als Seefahrernation bekannt geworden ist? Etwas anderes als laut knarrende Dielen, die an schwankende Schiffsplanken erinnern, findet man nur selten. Und meistens schwanken die Möbel dann noch mit. Ein sehr lustiges Thema sind *Betten* und *Bettdecken*. Ich gebe zu, als ich das erste Mal in UK war, habe ich es nicht gleich kapiert und mich einfach obendrauf gelegt. Es muß einem gesagt werden, daß es in dem fest verschnürten und betonharten Paket weiter unten auch richtige Decken gibt, die man lose machen kann, wenn man sich nachts nicht wie eine Hose beim Plätten fühlen will. Daß die Matratzen immer furchtbar weich sind, muß ich nicht extra erwähnen. Man kennt weltberühmte Briten wie Watt und Bell. Britische *Steckdosen* und Elektroinstallationen gehen offenbar unmittelbar bis auf diese Zeit zurück. Die Lampe am Spiegelschrank flackert schonmal ein bißchen, wenn man seinen Rasierer benutzen will. Die in allen Zimmern vorhandenen Wasserkocher sind allerdings meist ausgesprochen leistungsfähig. *Frühstück* ist sehr unterschiedlich. Es kann ein sehr reichhaltiges Angebot an corn flakes und Früchten beinhalten, muß aber nicht. Der Toast erschien mir seltener verbrannt als bei früheren Besuchen. Leider besteht wohl ein Trend, auf meine geliebten Bohnen zu verzichten. Die Würstchen, die zum cooked breakfast gehören, schmecken oft wie gebratener Kartoffelbrei. Da richtiges Brot oder Brötchen völlig unbekannt sind, bieten einige Hotels nun Croissonts ("crossongs") an. Ebenso unterschiedlich wie das Frühstück ist das *Personal*. Man erlebt kultivierte ältere Herren, die einen ganz hervorragenden Job machen (ich sah einen Sir im weissen Hemd mit Schlips und Manschettenknöpfen sowie einer kleinen Küchenschürze ausgezeichnete Spiegeleier braten) und die einen nebenbei in eine nette Unterhaltung verwickeln ("What do you think about political stability in Germany?") - es gibt aber auch ausgesprochen vergeßliche, schusselige, transusige Bedienungen, die - bauchfrei und mit offenen Schnürsenkeln - zu doof sind, ein Glas Orangensaft hereinzutragen. Zum Abschluß: In Glasgow hatte der Autor Monate zuvor drei Nächte gebucht. Das Hotel bestätigte dies umgehend per e-mail. Bei der Ankunft teilte man allerdings mit, man habe nur zwei Nächte. Derzeit könne man die dritte Nacht nicht anbieten, das Zimmer sei dann belegt, man werde sich aber umschauen, vielleicht sage ja noch jemand ab, der letzte Satz lautete "We will inform you." - und darauf verließ ich mich. Am Morgen des dritten Tages erlaubte ich mir eine bescheidene Nachfrage an der Rezeption, was denn nun aus der kommenden Nacht werde, denn das "inform" hatte bislang nicht stattgefunden. Nun ja. Es habe niemand abgesagt und wir hätten binnen einer Stunde das Zimmer zu räumen. Das war alles. Die daraufhin einsetzende Diskussion ließ von britischer Höflichkeit nicht mehr viel erahnen. Nein, eine Buchung in dem Hotel auf der anderen Straßenseite käme gar nicht in Frage, schon gar nicht eine Übernahme der Mehrkosten. "Yes, we have a problem in our booking." - "But it's your task to solve the problem." - "No, this is definitely not our task." ... Wir seien ja schließlich "informiert" gewesen und hätten zwei Tage Zeit gehabt. Leider bin ich (wie immer) zu höflich. Den Manager kommen zu lassen oder auf sein Eintreffen noch zu warten, fehlte mir früh um halb acht irgendwie die Lust. Außerdem füllte sich die Lobby mit wartenden Leuten und Neugierigen. Draußen auf der Straße schlug mir der Bus die Tür vor der Nase zu. Glasgow. T.M. -- end of forwarded message --